Inhaltliche Ergänzungen zu Kapitel 3 (Haltung, Fütterung, Training)

Überblick


Ersatzfuttermittel für Kraftfutter

Im Kasten auf S.50 wurden schon die Voraussetzungen angesprochen, unter denen man sich auf Ritte ins Ungewisse wagen kann, wenn die Versorgung mit dem gewohnten Kraftfutter ungewiss ist.

Es soll an dieser Stelle noch einmal betont werden: Grün- und Raufutter haben Vorrang bei der Futterbeschaffung, genügsame Pferde kommen bei gutem Angebot damit auch aus, zumindest eine Zeitlang. Insbesondere Pferde des Nordtyps (bei Bender sehr anschaulich als „vegetarischer Allesverwerter“ bezeichnet) sind aufgrund ihrer starken Kiefer und breitflächigen Mahlzähne imstande, auch sehr harte Pflanzenteile so zu zerkleinern, dass die Bakterien im Verdauungskanal das Material nutzbringend aufschließen können. Historisch gesehen begann die Fütterung des Pferdes mit Getreide erst, als ausgedehnte Kriegszüge ein Futter erforderlich machten, das eine hohe Energiedichte aufwies und daher gut und platzsparend transportiert werden konnte. Je nach Rasse und Tagesetappe brauchen aber viele Pferde auf einem Wanderritt Kraftfutter, weil sie gar nicht genug Zeit haben, entsprechende Mengen Grün- und Raufutter aufzunehmen und zu verdauen.

Was kann also als Ersatz dienen, wenn Hafer und Gerste nicht aufzutreiben sind? Nützliche Angaben findet man hierzu z.B. bei KRESSE und BRAND. Obwohl zwischen den Veröffentlichungen der jeweiligen Bücher 10 Jahre lagen, ähneln sich die Autoren in manchen Dingen: beide ritten Warmblüter, nahmen recht lange Tagesetappen in Angriff, waren gerne „frei Schnauze“ unterwegs und sehr genügsam in ihren eigenen Ansprüchen. BRAND konnte noch auf fast keine deutsche Wanderreitliteratur zurückgreifen und entlehnte daher viele Kenntnisse dem militärischen Bereich; hier lagen ausreichend Erfahrungen über Langstreckenritte mit Gepäck vor.

Als Ersatzfuttermittel geben KRESSE und BRAND an: Trockenes Brot in kleinen Mengen, Mais (ganze Frucht, mitsamt Stengel, Kolben und Blättern, wenn nicht gespritzt wurde), Kleie, Schrot, Mehl und Zucker in kleinen Mengen und mit anderem vermischt (Verklumpungsgefahr), gedämpfte Kartoffeln, Roggen und Weizen mit großer Vorsicht (schwer verdaulich, möglichst mit Häcksel mischen), geschrotete Bohnen (bis höchstens ein Pfund).

HEIDE/WALDECK, die auch schon auf anderen Kontinenten unterwegs waren, führen zusätzlich für exotischere Reitgebiete gestoßenen Reis, Bambussprossen und Bananenblätter an. Ergänzen kann man durch geeignete Rüben und Obst. Diese beiden Autoren empfehlen zusätzlich, auf Ritten ins Ungewisse nach Möglichkeit dort Hafer und Gerste zu „hamstern“ und als Vorrat mitzunehmen, wo man es bekommt. Kein Zufall, dass man in dem kleinen Büchlein auch ausführliche und anschauliche Angaben zum Bepacken eines Packpferdes erhält.

Bei allen Notbehelfen muss die Verdaulichkeit des Futters die Menge diktieren, besser, das Pferd nimmt etwas ab, als dass man eine Kolik riskiert.

Die unterschiedliche Verdaulichkeit der Stärke in den verschiedenen Getreiden ist den meisten Reitern bekannt, so ist Hafer für den Verdauungstrakt des Pferdes leichter verdaulich als Mais oder Gerste. Selbst von diesen beiden Getreidearten sind daher zu große Mengen (mehr als 200 g pro 100 kg Lebendgewicht des Pferdes) bei einer Mahlzeit zu vermeiden, um keine Fehlgärung und Übersäuerung des Dickdarmes zu riskieren. Zusätzlich sollten Mais und Gerste geschrotet verfüttert werden – wenn Sie nur ganze Körner bekommen, können Sie versuchen, Sie durch Mörsern oder Zerreiben zwischen Steinen aufzubereiten.

Weizen und Roggen dürfen nur einen kleinen Teil (bis zu 20% der Tages-Kraftfutterration) des Futters ausmachen, weil sie in größeren Mengen zu Verkleisterungen im Magen führen. Weizenkleie hingegen bringt mehr Rohfaser mit, sie ruft keine Verkleisterungen hervor, kann aber in größeren Mengen abführend wirken. Zu Kartoffeln gibt BENDER an, dass sie gekocht sehr gut verdaulich sind und in landwirtschaftlichen Betrieben früher in beachtlichen Mengen an die Arbeitspferde verfüttert wurden. Bei Hülsenfrüchten warnt der gleiche Autor vor einigen unverträglichen Inhaltsstoffen und gibt als Höchstmenge 0,1 kg/100 kg Lebendgewicht an.

Stroh ist bei guter, trockener Qualität als Futter auf jeden Fall geeignet, egal von welcher Getreideart es stammt. Bedenken Sie aber, dass es wesentlich weniger Wasser in seinen Fasern speichern kann als Heu – das Wasserreservoir im Darm ist bei Strohfütterung kleiner, man sollte verstärkt auf regelmäßiges Tränken achten.

Gartengemüse kann die Futterration ergänzen, wenn es sauber und frisch ist. Salat wird nach BENDER sehr gut auch in großen Mengen vertragen, bei Kohl ist – nicht überraschend – Vorsicht wegen Blähungen angebracht, davon sollten also nur geringe Mengen verfüttert werden. Rote Bete und Melonen werden gut akzeptiert und vertragen. Bei den Rüben gilt: Alles, was Senföle enthält (Steckrüben, Stoppelrüben) ist nicht geeignet, Mohrrüben und Zuckerrüben hingegen sind – von Erde und Sand befreit – gut verdaulich und von Pferden geschätzt. Was Obst betrifft, werden Äpfel, Birnen und oft auch Bananen gerne genommen und gut vertragen, von Steinobst sollte man aber besser die Finger lassen.

Zum Abschluss noch einmal alle Quellen, falls jemand das Buch nicht besitzt oder nicht zur Hand hat:

Als sehr informatives und umfassendes Grundlagenbuch für alle Belange der Pferdefütterung empfiehlt sich „der Bender“:

  • Bender, Ingolf: Praxishandbuch Pferdefütterung. Stuttgart 2008

Die obigen Angaben zu den Ersatzfuttermitteln entstammen den drei folgenden Wanderreitbüchern:

  • Brand, Joachim: Wanderreiten: Rittplanung, Ausrüstung, Training. München, Wien, Zürich, 1985 (ein Klassiker und Meilenstein der Wanderreitliteratur)
  • Kresse, Wolfgang: Wanderreiten. Stuttgart, 1994 (mein persönliches Lieblingsbuch unter den älteren Wanderreitbüchern, weil es so vielseitig und pragmatisch ist)
  • Heide, Barbara und Waldeck, Andreas: Outdoor Handbuch Trekkingreiten: Basiswissen für draußen. Struckum, ohne Jahr (ein preiswerter Winzling an Buch, jedoch mit vielen nützlichen Informationen für Reiter, die expeditionsartig reiten wollen)

Wer französisch lesen kann, sei auch noch auf „den Brager“ hingewiesen, der den gleichen Schwerpunkt setzt wie das letztgenannte Büchlein, nur auf gewichtigen 575 Seiten:

  • Èmile Brager: Techniques du voyage à cheval. Editions Nathan, Paris 2005 (siehe auch www.emile-brager.fr)
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Intervalltraining

Wie auf S.57 versprochen, erläutern wir hier den Begriff Intervalltraining näher. Alles, was auf den vorherigen Seiten zum grundsätzlichen Trainingsbegriff, zu den PAT-Werten und deren Aussagekraft gesagt wurde, ist auch Grundlage für das Folgende.

Im Intervalltraining wechseln Belastungsphasen, in denen kurzfristig auch in den anaeroben Bereich vorgestoßen wird, mit Ruhephasen ab. Die zweite Belastungsphase beginnt aber, bevor sich das Pferd vollständig von der ersten erholt hat.

Wie kann das in der Praxis aussehen? Nach ausgiebiger Aufwärmphase fordern Sie von Ihrem Pferd eine Leistung, die seinen Puls auf über 150 Schläge pro Minute hochtreibt, z.B. einen flotten Trab über zehn Minuten. Dies ist die Belastungsphase, in der die Energiegewinnung im Muskel vom aeroben Stoffwechselweg in den anaeroben umschalten muss, weil nicht mehr ausreichend Sauerstoff für die geforderte Arbeit zur Verfügung steht.

Dann lassen Sie das Pferd Schritt gehen – dies ist die Ruhephase, in der die „Sauerstoffschuld“ im Muskel beglichen wird und die gestiegenen PAT-Werte absinken. Die nächste Belastungsphase setzt nun nicht erst bei Erreichung der Erholwerte von 60 oder 70 ein, sondern früher, bei einem Pulswert von 90 bis 100.

Man erzielt auf diese Weise eine stärkere Beanspruchung als im Dauertraining, die aber zeitlich begrenzt ist. Korrekt angewendet, steigert diese Trainingsart Lungenkapazität und Herzschlagvolumen des Pferdes, die Atem- und Pulswerte werden deutlich verbessert, das Risiko von Überlastungsschäden bleibt aber niedrig, da die Belastungsphasen kurz bleiben.

Was muss beim Intervalltraining beachtet werden?

  • Das Intervalltraining darf nicht zu früh beginnen, da der Trainingsreiz in den Belastungsphasen sehr intensiv ist. Eine gute Grundkondition muss die Ausgangsbasis darstellen. Am Anfang reichen zwei Belastungsintervalle völlig, auch deren Dauer ist sorgfältig zu prüfen. Wird das Pferd fitter, steigt die Wiederholungszahl der Belastungsphasen an, mehr als fünf sollten es aber nie werden.
  • Um den Trainingsreiz zu verarbeiten, braucht der Körper Zeit, das Intervalltraining darf daher höchstens zweimal pro Woche angewendet werden. Es kann das Ausdauertraining ergänzen, dieses aber niemals ersetzen.
  • Der passive Bewegungsapparat (Knochen, Bänder, Sehnen) ist weniger durchblutet als Muskelgewebe, die Aufwärmphase muss also lang genug ausgedehnt werden, um sicherzustellen, dass auch diese Elemente auf die intensive Belastung vorbereitet sind.
  • Intervalltraining ist nur bei sehr regelmäßiger und genauer Pulskontrolle möglich, Sie benötigen also ein Pulsmessgerät oder müssen ständig absitzen und die Werte nehmen. Ausbilder in den Bereichen Distanz-, Vielseitigkeits- oder Jagdreiten bieten manchmal Traingsbegleitung bzw. –instruktion an und können vielleicht auch ein fest zu verschnallendes Pulsmessgerät ausleihen, diese Geräte sind leider recht teuer, erleichtern aber die notwendige häufige Pulskontrolle enorm. Eine Einweisung in diese Trainingsart durch einen erfahrenen Ausbilder ist sehr empfehlenswert.
  • Der Grad der Belastung in der entsprechenden Phase hängt auch stark vom Gelände (flach, hüglig oder bergig) und vom Geläuf (federnd und gleichmäßig oder uneben, viel Aufmerksamkeit erfordernd) ab.

Was kann schief gehen?

  • Aufwärmphase zu kurz: gravierende Schäden am passiven Bewegungsapparat, z.B. Sehnenrisse
  • fehlende Belastungsfähigkeit des passiven Bewegungsapparates (Pferd zu jung, Aufbautraining nicht lang genug): wie oben, sogar Knochenbrüche sind möglich, auf jeden Fall aber früher Gelenksverschleiß
  • Belastungsdauer falsch dosiert: viel Milchsäure im Muskel, dieser arbeitet nicht mehr koordiniert, Stolpern oder sogar Stürze werden wahrscheinlicher, Muskelrisse ebenfalls
  • - Training zu schnell vorangetrieben: Pferd wird „sauer“, weil es nicht versteht, wieso es ständig Muskelkater, Gelenkschmerzen und Unwohlsein erdulden muss.

Trainingspläne sind gute Anhaltspunkte, sollten aber nicht sklavisch befolgt werden. Wichtiger ist es, das Pferd im Auge zu behalten – wenn es einen schlechten Tag hat, sollte kein Intervalltraining auf dem Plan stehen, wenn es kaum zu bremsen ist, werfen Sie den „Schritt-Tag“ über Bord und lassen Sie es laufen.

Zum Weiterlesen:

  • Ettl, Renate: Pferde gut in Form. Richtiges Training für Fitness und Gesundheit. Stuttgart, 2007
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Rationsberechung für verschiedene Pferdetypen

Für diesen Abschnitt werden die Rationen für ein großes Warmblut, einen zierlichen Araber, ein mittelgroßes Quarter Horse und ein Fjordpferd berechnet. Ab Ende Oktober finden Sie hier den Artikel.

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